Burgenland Extremtour `16 – Das etwas andere Lauferlebnis.
Am Anfang steht ein beiläufiger Hinweis von Töchterchen Rosa vor Weihnachten
(“ … ich möchte im Jänner um den Neusiedlersee herumwandern, da gibt’s so
eine Veranstaltung …“).
Das geht natürlich nicht ohne mich, so ein langer Hatscher wär doch ideale
Trainingseinheit für einen im heurigen Sommer geplanten Ultralauf.
Also sofort angemeldet (nur 25 EUR!), der Rest wird sich ergeben, einmal um
den Neusiedlersee herum kann ja nicht so schwierig sein. Ah, 120km ? .. na
ja, wird schon gehen ..
Spezifische Vorbereitung? Fehlanzeige, keine Zeit mehr. Wird schon gehen.
Am 22. Jänner (Freitag) steh ich also um 03.00 in der Früh bei der
Startnummernausgabe in Oggau (liegt am Neusiedlersee, nördlich von Rust
…).
Natürlich ohne Tochter, denn die hat plötzlich am kommenden Montag eine
wichtige Prüfung – so ein Pech.
Es gibt keine Zeitnehmung, die Strecke soll großteils auf dem Radweg rund um
den See verlaufen, alle 15km gibt’s eine Labe.
Mit der Startnummer (am Rucksack) bekommst du bei der Anmeldung auch
gleichzeitig die Finisher-Urkunde, echt praktisch.
Start um 04.30 in völliger Dunkelheit auf der Oggauer Hauptstraße, -7°C.
Etwa 1.700 Teilnehmer, aber kein bekanntes Gesicht ist unter den dicken
Pudelmützen und Schihauben erkennbar.
Eine vom Silvesterfeuerwerk übriggebliebene Rakete markiert das
Startzeichen.
Professionell ausgerüstet mit Rucksack, Warnweste, Stirnlampe und Co. mach
ich mich auf den Weg.
Ich habe mich zielsicher für das falsche Schuhwerk entschieden.
Cross-Laufsschuhe mit grobem Profil und wenig Dämpfung, Stunden später
schmerzt die Hüfte und das Hirn beutelt´s mir bei jedem Schritt raus …).
Hänge mich vom Start weg an eine größere Gruppe an, Schnitt ca. 9-10km/h
(ich hab keine Laufuhr), ist recht gemütlich.
Neben mir plaudern sie fröhlich über den letzten 24-Stunden Radmarathon, wo
sie „nur“ 600km geradelt sind. Ich bin vielleicht doch zu schnell.
07.30, erste Labe in Ungarn, 25km. Heißer Rooibos-Tee (von Sonnentor!) und
Striezel beleben das Gemüt. Bei -12° geht’s weiter auf Landstraßen und
Radwegen durch Ortschaften und durch die Botanik, strahlender Sonnenaufgang,
traumhaft. Die rechte Hüfte schmerzt, das „Ziagerl“ dürft vom Kicken am
Montag herrühren, war vielleicht nicht die weiseste Entscheidung. Ansonsten
alles easy.
Nächste Labe erst um 09 Uhr, noch immer in Ungarn, das zieht sich jetzt doch
ganz schön. Etwa 40km zurückgelegt, ich hab Hunger. Beim Lagerfeuer spül ich
die trockenen Keks wieder mit Rooibos-Tee runter. Es hat noch immer -10°,
quasi Waldviertler Verhältnisse. Dafür kein Wind. Die rechte Hüfte sticht
saumäßig. Der langsame Trott-Lauf geht ganz schön rein, scheiß Kicken. Das
„Ziagerl“ hat sich also ausgewachsen. Ich gestehe: ein Seractil verschafft
dann etwas Linderung (es bleibt das einzige!). Ab nun daher Wechsel Laufen
und (Kampf-)Gehen. Den Kollegen rundherum geht’s aber nur teilweise besser.
Um 11 Uhr in Apetlon angekommen, etwa 60km. Den angebotenen Rooibos-Tee lehn
ich dankend ab und wanke ins nächste Wirtshaus. Jetzt sind Cappuccino und
Apfelstrudel angesagt, herrlich. Ich könnte hier aussteigen, so wie es die
meisten tun … Weichei! mach gefälligst weiter. Ich wanke wieder auf die
Straße und häng mich an einen Leidensgenossen an, der offensichtlich die
Strecke kennt. Auf nach Podersdorf!
Quer durch die Pampa stellt sich die Sinnfrage immer öfters. Hüftschmerzen,
harte Oberschenkel – so war das nicht besprochen. Ich duelliere mich mit
zwischenzeitlich bekannten Gesichtern, einmal ist der vorn, einmal der.
Dazwischen freundliche, aufmunternde Worte. Sonne, Gänseschwärme. Von der
Labe in Podersdorf bei km 75 weg ist es nur mehr ein Marathon – läppisch.
In Neusiedl soll es dann in der Tourismusschule was „G´scheites“ zu essen
geben. Das hält mich am Leben bzw. in Bewegung, aber es wird zäher. So gegen
3 Uhr nachmittags falle ich dann in einen Sessel und löffle einige Teller
Kürbiscremesuppe leer. Herrlich! Der Körper murrt nun bei ca. 90km gewaltig
und der Geist ist auch nicht mehr recht willig. Nach einer halben Stunde
quäl ich mich aber doch wieder raus, versuch wieder in Bewegung zu kommen.
Aufmunternde Worte zu den Leidensgenossen, wir versuchen die harten und nun
auch kalten Muskeln wieder in Schwung zu bringen. Grässlicher Anblick.
Nun geht’s rein in die Dunkelheit. Die Grüppchen werden weniger, ich Versuch
Kontakt zu ortskundigen Läufern zu halten, damit ich mich nicht
verrenne/vergehe. Fällt mir schwer. Erfolgserlebnis bei km 100: ich überhole
Frau mit Rollator, die hat sich offensichtlich auf den Radweg verirrt. Ab
nun allein Weiterlaufen in der Dunkelheit, es wird wieder kälter, der
Lustgewinn hält sich in Grenzen.
Letzte Labe in Purbach bei km 105 in einem Heurigenlokal. Es gibt
Gulaschsuppe, herrlich salzig. Mein Tischgenosse ruft das Abhol-Taxi, er hat
genug. Ich höre weg …, stapfe wieder auf die Straße Richtung Kreuzung.
Keine Markierung zu sehen, wir sind zu dritt … wo geht’s weiter? Wir
halten einen Autofahrer an – zum Glück einheimisch – und fragen nach dem Weg
Richtung Donnerskirchen. Er kennt die Laufstrecke, wir sind nicht die ersten
die fragen (und nicht die letzten).
Der Steirer wird uns bald verlassen, er ist zu schnell (Berg-Ultraläufer
…). Ich verbünde mich daher mit Zoran, er „bewegt“ sich in meiner Liga.
Wir sind ein gutes Gespann. Es ist ortskundig und ich hab eine Stirnlampe
dabei. Wir werden bis zum Ziel beisammen bleiben und in den nächsten zwei
Stunden Lauffreunde werden. Wir quatschen übers Kicken (er pfeift in der
Landesliga) und das Hausbauen und philosophieren über den Sinn von
Fahrtenbüchern. Das lenkt alles ab vom Laufen und wir nehmen es dann auch
nicht tragisch, als sie uns 2km vorm Ziel von der Hauptstraße runter
nochmals in die Pampa scheuchen.
Den letzten Kilometer zurück ins Ziel nach Oggau bewältigen wir mit
„Höllentempo“, Ankunft nach über 15 Stunden kurz nach 20 Uhr, geschätzte
118km.
Herzlicher Empfang vom Organisationsteam, gemeinsames Zielfoto auf der
„Finisher-Couch“ mit Zoran, wir vereinbaren ein Wiedersehen.
Nach einigen Bechern Kaffee und ein paar Broten mach ich mich auf den
Heimweg, eh nur noch zwei Stunden Autofahren …
Was bleibt?
Ein neuer Lauffreund, vier tiefblaue Zehennägel, ein ausgeschlagenes
„G´stell“ und die Erkenntnis, dass läppische 120km doch ein bisserl mehr
sind als ein Marathon, auch wenn man es „gemütlich“ angeht. Und ich trinke
seitdem keinen Rooibos-Tee mehr.
Nächstes Jahr bin ich jedenfalls besser vorbereitet!
Pingback:Burgenland Extremtour - LC Waldviertel
Lieber Arnold, gratuliere dir zu dieser Leistung! Wahnsinn!! Du bist einfach ein zacher wilder „Hund“ 🙂 Und ein toller Bericht ist´s noch dazu. Hab richtig mit dir gefühlt und trotzdem sehr amüsant!
Lieber Arnold,
Gratulation an diese tolle Leistung und super Bericht!
Mir tut nach deinem Bericht auch gleich alles Weh!
Supercool!
„Congrats“
ich hab echt auch überlegt mitzumachen… schade!
dann fixieren wir das für nächstes Jahr, Arnold! du kennst ja jetzt schon die Strecke!
super Bericht!!!
Hallo Arnold, gratuliere dir zu dieser tollen Leistung ,
da muß man wirklich einen Biß für Ausdauer haben.
und dein Bericht ist ein echter Lesegenuß !
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feiner Text, muss ich schon sagen. nach meinem Spartan Race im September schreib dann auch so nen Bericht 🙂